solus Christus

Predigtreihe

Liebe Gemeinde,

es läuft alles auf ihn hinaus, man kann auch sagen: Er ist der Dreh- und Angelpunkt von allem: Jesus Christus. (Das haben Sie gesehen an dem Krippenweg, den wir gelegt haben.) Alle Verheißungen Gottes an sein Volk Israel, an die Söhne und Töchter Abrahams, des Stammvaters, alle Verheißungen der Propheten des Alten Testaments, sehen wir in Jesus erfüllt.

Für mich ist das sonnenklar, ich glaube das: Er ist wirklich das Licht für die Welt geworden. Viele, die sich auf ihn eingelassen haben, haben das erlebt in ihren persönlichen Dunkelheiten. Er ist der, auf dem der Geist des Herrn ruht – in einem Ausmaß wie bei sonst keinem Menschen. Das spürt man seinen Worten und Taten an, z.B. den Seligpreisungen. Wenn die Menschen das erfüllen würden – wie anders sähe die Welt aus. Er hat es getan, Jesus hat die Schwachen gesehen und nicht für sich das Beste gesucht. Seit er in die Welt kam, sollen wir wissen: Gott ist mit uns. Auf unserem ganzen Lebensweg, jede Sekunde. Er ist immer an unserer Seite. Er kennt es, das Leben, in- und auswendig. Er weiß, was wir aushalten und er hat erfahren, was uns glücklich macht.

Dass wir unsere Zeitrechnung mit seiner Geburt beginnen bzw. von seiner Geburt zurückrechnen und es die Jahre nach Christus und die Jahre vor Christus gibt, ist deshalb nur logisch. Und deshalb stimmt es auch zu sagen: Solus Christus, allein Christus.


Oder um es mit Petrus auszudrücken, der ja der Jünger war, der Fels, auf den Christus seine Kirche bauen wollte: „In keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden…“ als, und das ergänze ich aus dem Kontext „in dem Namen Jesu Chisti!“ Das predigt Petrus – so berichtet uns die Apostelgeschichte – man muss sich das mal vorstellen - der obersten Religionsbehörde seines Volkes, nachdem er einen Menschen, einen Gelähmten, heilen konnte, indem er ihm befohlen hat: „Im Namen Jesu Christi von Nazareth, steh auf und geh umher!“

Jesus hat in seiner Zeit auf Erden nicht nur viele Menschen geheilt, er hat auch Tote auferweckt, ein junges Mädchen, die Tochter des Jairus und seinen Freund Lazarus. Etwas, was es davor nie gab und danach nur noch ganz selten durch Jesu Jünger bzw. Apostel. Was gäben wir darum, um das zu erleben. Aber wir tun es nicht. Aber fragen darf man: Würden wir noch einmal viel intensiver, ohne Einschränkungen an Jesus glauben und ein glückliches, zufriedenes Leben im Sinne Gottes, nach seinen Geboten und Vorstellungen, wie menschliches Leben sein soll, leben, wenn wir´s erlebten?

Schon die Berichte der Bibel, die doch ganz nah dran sind an Jesu Leben, zeigen ganz klar, dass das nicht so ist. Dass die Zweifel wiederkamen und die Unzufriedenheit. Auch die Wunder schaffen es nicht, dass wir Menschen unser Gottvertrauen und unseren Glauben behalten zu allen Zeiten unseres Lebens.

Das schafft nur einer: Solus Christus, allein Christus! Aber er kann uns dabei helfen, dass wir dranbleiben an ihm.


Das war übrigens ein zentraler Kritikpunkt der Reformation, dass man für bestimmte Notlagen zu je anderen Heiligen, vor allem aber zu Maria, der Mutter Jesu um Hilfe rief, weil man sich von ihr mütterliche Fürsorge versprochen hat und Gott ihr sicher geben würde, was sie für die Menschen von ihm erfleht, weil sie doch Gott gehorsam war und seinen Sohn auf die Welt brachte. Luther setzt gegen die spätmittelalterliche Heiligenverehrung und Marienfrömmigkeit seine Überzeugung, die er durch ein intensives Bibelstudium gewonnen hat, wenn er sagt: „Durch die Schrift mag man aber nicht beweisen, dass man die Heiligen anrufen oder Hilfe bei ihnen suchen soll. Denn es ist allein ein einziger Versöhner und Mittler gesetzt zwischen Gott und Menschen, Jesus Christus…welcher ist der einzige Heiland, der einzige oberste Priester, Gnadenstuhl und Fürsprecher vor Gott… Das ist auch der höchste Gottesdienst nach der Schrift, dass man denselbigen Jesus Christus in allen Nöten und Anliegen von Herzen suche und anrufe.“


Spüren Sie auch, welch unerhörte Freiheit jeder Person, jedem von uns da eröffnet wird? Wir brauchen keine mächtigen Leute mehr, die für uns eintreten, die Herrscher dieser Welt – letztendlich können sie uns das Heil für unser Leben weder geben noch nehmen. Wir brauchen auch die Heiligen nicht für unser Seelenheil – das muss ich der katholischen Kirche einfach entgegenhalten. Die Heiligen sind genauso Sünder wie alle anderen Menschen und für Gott nicht mehr wert als wir, auch wenn sie sicher eine besondere und auch nachahmenswerte Frömmigkeit und Gottsuche auszeichnet. Aber wir brauchen sie nicht als Vermittler oder Fürsprecher. Und wir dürfen sie deshalb auch nicht um Hilfe anrufen oder gar anbeten.


Wir brauchen auch nicht – und jetzt kommt´s ganz dick - das Diktat einer Kirche, die immer besser weiß als wir, wie wir zu glauben und zu leben haben. Oder gar eine Kirche, die den Schatz verwaltet, in dem sich die Verdienste Christi und der Heiligen befinden, die uns je nach unseren Bußleistungen oder in der Höhe unserer Spenden angerechnet werden. Gott rechnet nicht mit uns ab und wir sollten das mit Gott auch nicht tun – abrechnen „gibst du mir, geb ich dir“ - oder verhandeln, was uns zusteht, wenn wir unsern Teil leisten. Jede Art Ablasshandel ist seit der Reformation Geschichte, und gestorben, geht überhaupt nicht mehr als Weg zu Heil und Seligkeit und als Weg zu Gott. Ich zitiere Luther: „Jeder wahre Christ, lebend oder tot, hat, ihm von Gott geschenkt, teil an allen Gütern Christi und der Kirche, auch ohne Ablassbriefe.“

Wir brauchen also nichts mehr leisten, für unsere Toten nicht, um sie – wie die mittelalterliche Kirche vor Luther glaubte - doch noch aus irgendeinem Fegefeuer rauszuhauen und auch nicht für uns, damit Gott uns mag – ich sag´s mal ganz bewusst so umgangssprachlich.


Wir sind ihm sympathisch aus einem einzigen Grund: wegen Christus, allein wegen ihm. Solus Christus. Auf ihn läuft alles hinaus, er ist der Dreh- und Angelpunkt.

Und eben nichts und niemand anderer. Das ist wirklich exklusiv. Und da dürfen wir auch keine Kompromisse machen.

„In keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden…“ als, und das ergänze ich aus dem Kontext „in dem Namen Jesu Christi!“


Ist Ihnen das alles heut zu theoretisch? Auf der einen Seite versteh ich´s , auf der anderen auch nicht. Denn es kann uns, niemandem von uns doch wurschtegal sein, ob unser Leben seinen Sinn und sein Ziel findet und wo wir einmal landen werden. In Tod und Grab, soll´s das dann gewesen sein? Und wir leiden doch auch darunter, dass wir´s oft nicht besser hinkriegen mit unserem Leben, so dass es perfekt ist. Im Grunde sind wir, betrachtet man unser Leben in seiner Summe am Ende, alle nur Stümper. Auch ein Bach, auch ein Luther, ein Bonhoeffer, eine Mutter Theresa, auch ein Obama und ein Putin, die Guten und die Bösen, und auch ich und Sie – verzeihen Sie diese deutlichen Worte. Und wie sehr wir uns auch anstrengen und das Gegenteil versuchen, es bleibt bestenfalls ein hervorragender Versuch, das Beste aus unserem Leben zu machen.


Aber hier nun kommt Christus. Eine lebendige Person. Ein Mensch, geboren wie alle Menschen in dieser Welt und doch auch der ganz andere.


Erinnern Sie sich noch an die Auslegung Luthers zum zweiten Glaubensartikel? In meinem Alter hat man das noch im „Konfers“ gelernt – ich geb zu, widerwillig wegen der schweren Worte. Aber heute denk ich, der Luther, der hat´s wirklich „drauf gehabt“. Da heißt es:

Ich glaube, dass Jesus Christus wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren und auch wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren, sei mein Herr, der mich verlornen und verdammten Menschen erlöset hat, erworben, gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels, nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben; damit ich sein eigen sei und in seinem Reich unter ihm lebe und ihm diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit, gleichwie er ist auferstanden vom Tode lebet und regieret in Ewigkeit. Das ist gewisslich wahr.


Ja, er, Christus, bringt uns eine Botschaft von Gott und verkörpert sie auch, die all unsere Vorstellung sprengt. Uns, die wir uns über unsere Leistung definieren und immer bestrebt sind, unser Handeln im Alltag zu rechtfertigen, warum wir so handeln mussten und nicht anders konnten, was mal gut, mal schlecht ist, warum dies und jenes nicht gelungen ist oder doch auch. Uns sagt er, dass diese Logik vor Gott nicht gilt. Es ist nicht nur der Mensch recht in Gottes Augen, der im Recht ist. Sondern wir sind geliebt trotz allem, was an uns nicht liebenswert ist, angenommen von Gott, obwohl wir unannehmbar sind.

Mitsamt unserer Defizite und hervorragenden Leistungen. Zu diesem wunderbaren, schwierigen, einzigartigen, eigenartigen Menschen, der wir alle sind, will Gott eine Beziehung haben.


Und durch seinen Sohn Jesus Christus schafft er das. Christus hat gelebt, wie Gott es wollte und ist auch so gestorben. In enger Beziehung zu ihm. Er hat den Gerechtigkeitsmaßstäben Gottes voll entsprochen in all seinem Reden, Tun und Unterlassen. Er ist der – ich sag das mal ganz menschlich –der Gott, seinem Vater, verständlich machen konnte, welche Herausforderung es ist, ein Menschenleben zu führen, das den Namen verdient. Und deshalb ist Gottes Herz in Liebe dahingeschmolzen.


Deshalb hat Gott beschlossen, was Jesus gelebt hat genügt. Das soll allen Menschen zugute kommen. Wegen ihm sollen alle die Gnade erfahren, dass sie sich nicht mehr selbst rechtfertigen müssen, warum und wozu sie da sind. Alle sollen wissen, dass Gott mit jedem Menschen Gemeinschaft haben will, ganz gleich, wie dieser sich Gott, anderen Menschen und sich selbst gegenüber verhalten hat. Es geht also um eine Beziehung zu uns, die Gott stiftet, und aufrechterhalten will für immer und ewig. Und das gelingt ihm durch seinen Sohn Jesus Christus, weil er ein Mensch wurde.

Luther meint: „Gott ist gewiss unser Vater und Gott, aber doch beides allein durch Christus.“ Durch ihn kann ein Mensch erkennen, wie Gott zu ihm steht. In ihm kann man Gott ins Herz sehen. Er ist der Spiegel des väterlichen Herzens.


Deshalb hab ich ein Verhältnis. Eigentlich wollte ich so einsteigen in die Predigt und Sie ein bisschen schockieren, aber ich hab´s dann doch nicht gemacht. Es stimmt aber doch, ich hab ein Verhältnis und das kann mein Mann guten Gewissens hören. Ich hab ein Verhältnis mit Christus, ein Liebes-Verhältnis. Kein schlampiges Verhältnis. Bei der Taufe ist diese Verbindung geschlossen worden. Bei der Konfirmation habe ich sie bekräftigt. Und heute sag ich manchmal ganz überzeugt, manchmal auch eher verhalten oder trotzig oder ganz leise, weil mir das Leben einiges abfordert, was wir am Anfang gesungen haben und bekräftige das immer wieder: Jesus, dir gehört mein Leben und Lobpreis. Solus Christus – allein Christus.


Nennen Sie mir eine Religion, in der es um eine ganz unmittelbare Beziehung zwischen zwei Personen geht, von der eine Gott ist. Ich weiß keine. Ich kenne nur das Christentum. Da kann sie gelebt werden, die Beziehung zwischen meiner Person und der Person Gottes. Zwischen Jesus und mir. Zwischen Gott und mir und die Beziehung zum Heiligen Geist, der uns zusammenhält. Seit Jesus auf Augenhöhe mit dem Schöpfer der Welt, mit dem allmächtigen Gott. In keiner anderen Religion gibt es das.


Was nicht heißt, dass wir Christen nicht mit anderen Religionen einen interreligiösen Dialog pflegen können. Aber der kann nur so gelingen, indem jeder seine Eigentümlichkeiten, vielleicht sollte ich besser sagen, sein Herzstück zur Sprache bringt und nicht verheimlicht. Für die anderen ist etwas anderes wahr, für mich allerdings ist Christus, um mit Martin Luther zu sprechen, der einzige Trost im Leben und im Sterben. Solus Christus.


In Jesus war Gott gegenwärtig in dieser Welt, und als er am Kreuz gestorben ist, ist er nicht im Nichts verschwunden, sondern durch die Kraft Gottes auferstanden zu einem neuen Leben. Seitdem wissen wir: Wenn Gott uns in diesem Menschen Jesus besonders nahe ist, dann auch in seinem Leiden und Sterben und in seinem Tod. Leiden, Sterben, Tod, müssen nun als Orte verstanden werden, in denen Gott immer noch nahe ist. Gott hat sich in Christus so auf die Menschen eingelassen, dass er alles, was die Menschen von ihm trennte, weggenommen hat. Deshalb können weder unsere Sünde noch der Tod uns mehr von Gott trennen. In Christus hat Gott zu unserem Heil gehandelt.

Luther sagt es so: „Christus kann nicht eher unsere Macht sein, wir werden denn in uns selber ohnmächtig und gekreuziget durch allerlei Leiden Dann wird er auch unser Psalm Lied und Gesang. So folget der Sieg und Heil ins ewige Leben.“

Das beantwortet letztlich die Frage, warum uns Jesus nicht das Leben abnimmt, das uns auferlegt ist, warum nicht alle Krankheiten geheilt werden und wir die Auferstehung der Toten glauben müssen, was schwer fällt, ganz schwer, am Grab eines Kindes, eines Partners, mit dem uns ganz viel Liebe und Leben verbindet. Wir müssen durch unser Kreuz durch, wir müssen es selber auch tragen. Aber Christus, unser Herr, hilft uns dabei. Und je länger je mehr werden wir das spüren, wenn wir ihn darum bitten. Werden wir merken, welch eine Kraft und welch eine Hoffnung diese Beziehung zu Gott, unser Verhältnis zu Christus in sich trägt und so ein getröstetes, geheiltes, getragenes Leben dankbar leben können.


Brauchen das nicht alle Menschen? Oh doch und damit sie es erkennen können, darf sich die die Kirche nicht mit diesem oder jenem beschäftigen, sondern muss die Geschichte von Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi erzählen. Dafür ist sie da. Jeder Mensch soll die Christusgeschichte hören.

Irgendwo habe ich gelesen: „Gott ruft uns nicht, in die Kirche zu gehen;…“ – auch wenn ich mich freue, dass Sie da sind – „…er ruft uns, seine Kirche zu sein, die Hoffnung für die Welt.“ Gerade in unsrer Zeit wieder ganz neu. Dann besonders, wenn man die Welt nicht mehr versteht, die Kriege, die Krankheiten, all das unnötige Leid, das Menschen einander zufügen.


Dann müssen wir der Welt sagen, was unser Gott für ein Gott ist.

Allein durch Christus wissen wir es ganz gewiss: er ist unser Gott, unser Vater im Himmel.“

Und deshalb setze ich an den Schluss, das „Soli deo Gloria“ von Bach, das er über alle seine Werke, seine musikalischen Meisterwerke, gesetzt hat: Allein Gott die Ehre.


Amen.